Dank Remote Work schneller und fokussierter arbeiten – im Interview mit Tobias Gillen

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"Plötzlich Remote" hieß es für viele Unternehmen vor gut drei Monaten. Für Tobias Gillen und seine Mitarbeiter von BASIC thinking gehört dezentrales Arbeiten schon lange zum Arbeitsalltag. Warum er sich von vornherein für Remote Work entschied? Welche Vorteile es für ihn und seine Mitarbeiter sowie das Unternehmen hat und welche Tipps er für einfaches und effizientes digitales Arbeiten geben kann, verrät er uns im Interview.
 

Hallo Tobias, stell dich unseren Lesern zunächst bitte einmal vor.

Tobias Gillen im Interview mit Mittwald über Remote Work und ihre Vorteile.

Erst mal vielen Dank für die Einladung! Gemeinsam mit einem Partner habe ich 2015 das Online-Magazin BASIC thinking übernommen. Seitdem leite ich die BASIC thinking GmbH, die inzwischen mit einem Team von sieben festangestellten Mitarbeitern und rund 20 freiberuflichen Redakteuren mehrere Online-Magazine betreibt.

Ihr arbeitet bei BASIC thinking ja quasi schon immer remote. Wie bist du zu dieser Entscheidung gekommen?

Einer der größten Faktoren für Unzufriedenheit im Job ist der Weg zur Arbeit. Die Frage war also: Warum soll ich Mitarbeiter in einem vollständig digital arbeitenden Unternehmen quer durch die Stadt fahren lassen, wenn sie ihre Arbeit auch ohne Hin- und Rückweg in gleicher Qualität erledigen können und dadurch sogar noch zufriedener sind?

 

Ich sage nicht, dass das nur Vorteile hat und natürlich geht das auch nicht in jedem Unternehmen. Für uns hat es sich aber bewährt. Ich kann für das ganze Team sprechen, wenn ich sage, dass wir sehr zufrieden in der aktuellen Konstellation sind.

 

Wir haben für uns festgestellt, dass wir deutlich schneller und fokussierter arbeiten können, eben weil wir dezentral im Homeoffice arbeiten.

Tobias Gillen
 

Wie kann ich mir einen Arbeitstag bei euch vorstellen?

Wir sind natürlich ständig im Austausch, auch wenn wir uns nicht jeden Tag sehen. Wir nutzen ein Chat-Programm für die schnelle Kommunikation und für längere Themen halten wir Telefon- oder Video-Meetings ab. Ansonsten sind Arbeitsabläufe weitgehend automatisiert und Strukturen klar organisiert, sodass jeder Mitarbeiter zu jeder Zeit weiß, was zu tun ist.

Trotz Remote Work leistet ihr unheimlich gute Arbeit und habt ein enormes Tempo – oder ist es gerade weil ihr flexibel aus ganz Deutschland zusammenarbeitet?

Wir haben für uns festgestellt, dass wir deutlich schneller und fokussierter arbeiten können, eben weil wir dezentral im Homeoffice arbeiten. Es gibt viel weniger Ablenkungen als im Büro, was enorme Auswirkungen auf die Geschwindigkeit hat. Trotzdem darf man bei aller Effizienz den Teamzusammenhalt nicht vergessen. Wir wissen uns schon gegenseitig zu unterhalten, auch während der Arbeitszeit. Hier kommt es auf das richtige Maß an, damit das Zwischenmenschliche nicht auf der Strecke bleibt.

Welche Auswirkungen hat das auf die Teamstrukturen?

Mit steigender Mitarbeiterzahl mussten wir zwangsläufig klar geregelte Systeme und Abläufe einführen. Bei uns gibt es keine Meetings am Morgen, wo besprochen wird, wer was wann tut. Jeder muss morgens wissen, was heute ansteht. Wir versuchen, gegenseitige Abhängigkeiten so gering wie möglich zu halten und Prozesse wo es geht zu verschlanken oder zu automatisieren. Erst vergangene Woche haben wir mit drei winzigen Umstellungen drei Zeitfresser eliminiert, die uns jedes Jahr 160 Stunden Arbeit gekostet haben. Da muss das Team mitziehen und jeder wissen, worauf es ankommt. Sonst funktioniert dieses Konzept nicht. Ich bin sehr dankbar dafür, mit so einem tollen Team arbeiten zu dürfen – wir erarbeiten uns all diese Learnings Schritt für Schritt gemeinsam.

Was siehst du als konkreten Vor- und was als Nachteil?

Die Vorteile sind die Zufriedenheit, Effizienz und die geringeren Kosten, weil wir uns Mietkosten für Büroräume sparen. Nachteile gibt es nur im Teamzusammenhalt, wenn man da nicht aktiv etwas für tut. Da wir das tun, gibt es für uns keine Nachteile.

Remote Work bedeutet zugleich auch Vertrauen in das Personal und deren Arbeit. Ist es für dich leicht, dieses zu geben?

Absolut. Bei uns gibt es kein Zeit-Tracking, keine Kontrollen. Ich erwarte, dass das von mir entgegengebrachte Vertrauen seitens unserer Mitarbeiter nicht enttäuscht wird und habe bis jetzt keine negativen Erfahrungen gemacht. Jeder unserer Mitarbeiter weiß unsere flexible Arbeitsweise und die Möglichkeiten bei uns so sehr zu schätzen, dass es keiner weiteren Motivation für vollen Einsatz bedarf.

Remote Work geht nur gemeinsam [...].

Welches Learning kannst du weitergeben?

Remote Work kann nicht von heute auf morgen zu 100 Prozent rund laufen. Das tut es bei uns sicher auch immer noch nicht – und wir machen das jetzt seit vielen Jahren. Seid geduldig, sprecht viel miteinander, versucht Probleme zu lösen und baut dieses Modell Stück für Stück aus. Remote Work geht nur gemeinsam – auch wenn das paradox klingt, weil man physisch allein ist.

Hast du bestimmte Tipps, mit denen Remote Work einfach, sozial und interessant sein kann?

Für mich hat sich eine flache Hierarchie bewährt. So hat jeder die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und diese Arbeitsweise im Team zu gestalten und ins Positive zu beeinflussen. Remote Work mit sehr harten Hierarchien stelle ich mir schwierig vor. Wobei das sicher auch in jedem Unternehmen unterschiedlich ist und von der Unternehmensgröße abhängt. Zumindest zu Beginn der Arbeit im Homeoffice sollte man jedem Mitarbeiter die Möglichkeit geben, regelmäßig Feedback zu geben und ebendieses auch zeitnah berücksichtigen.

 

Zudem sollte man sehr feinfühlig sein und zwischen den Zeilen lesen können. So lassen sich manche Differenzen gleich im Keim auflösen. Hier fehlen manchmal einfach Gestik und Mimik des Gegenübers – da sollte man schon wissen, wie der oder die andere tickt.

 

Mein Haupt-Tipp: Macht die Arbeit nicht komplizierter als sie ist. So viele Tools wie nötig, so wenige wie möglich. Je komplexer Strukturen und Abläufe werden, desto schwieriger wird die Umsetzung, wenn man sich nicht jeden Tag gegenübersitzt. Haltet es einfach!

Vielen Dank für diesen tollen und spannenden Einblick!

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